Man verliert bei so einer Radtour ziemlich schnell jegliches Zeitgefühl. Wenn wir abends beim Essen die früheren Etappen und Zielorte Revue passieren lassen, sind wir immer wieder überrascht, wie viele Tage schon wieder vergangen sind - oder wie wenig. So sind wir erst vor vier Tagen vom Badeort Paralia Vrasna gestartet. Der Ort war übrigens nicht wirklich schön. Ein Kunstort, den es ohne Tourismus nie geben würde. Wir mussten aber wieder mal Ruhetage einlegen und wollten auch ausgiebig baden. Deshalb hatten wir die Bucht bei Stavros angesteuert.
Unser nächstes Etappenziel hieß Kavala, die Stadt mit einem ungewöhnlichen zweistöckigen Aquädukt. Da wir dort kein Hotelzimmer mehr bekamen, haben wir auf dem Campingplatz eingecheckt.
Den Platz hatte uns ein französisches Paar empfohlen, das uns auf einem Tandem mit Anhänger entgegen kam. Es war allerdings kein gewöhnliches Tandem: Die Frau saß wie auf einem Liegerad vor und unterhalb ihres Partners und trat mit den Beinen voraus, während ihr Partner hinter ihr aufrecht saß und das Gefährt steuerte und bremste. Sie waren so bereits seit vier Monaten unterwegs - zunächst an der Donau entlang bis zum Schwarzen Meer und jetzt immer an der Mittelmeerküste entlang zurück nach Frankreich. Auch eine interessante Tour, fanden wir.
Auf dem besagten Campingplatz gab es guten Internet-Empfang. Da ich etwas Zeit totschlagen musste, bis ich meiner Frau um 1 Uhr (Ortszeit) zum Geburtstag gratulieren konnte, daddelte ich im Netz herum. Gegen 23.30 Uhr trafen dann die ersten Meldungen vom Putsch in der Türkei ein. Die Nachrichten überschlugen sich; vor allem auf Twitter. Dort hieß es schon bald, Erdogan sei bereits auf der Flucht in den Iran. Ich war hin- und hergerissen: Natürlich darf das Militär eine gewählte Regierung nicht stürzen; gleichwohl gefiel mir der Gedanke an eine Türkei ohne Erdogan. Im Nachhinein bin ich aber froh, dass der Putsch keinen Erfolg hatte. Denn wenn Erdogan aus dem Amt gejagt worden wäre, hätte es mit ziemlicher Sicherheit einen Bürgerkrieg und großes Chaos in der Türkei gegeben. Dann hätten wir ganz sicher nicht so einfach einreisen können.
Es folgen noch Fotos aus Kavala:
Unser nächstes Etappenziel nach Kavala hieß Fanari. Auch dieser Ort ist fest in der Hand von Touristen; aber es ist ein historisch gewachsener Ort, den es schon vor den Touristen gab. Hier machen vor allem Bulgaren Urlaub; bis zur bulgarischen Grenze sind es nur knapp 150 KM. Fanari liegt sehr schön in einem Nationalpark und ist umgeben von Wasser: auf einer Seite das Mittelmeer und auf der Rückseite das Delta des Flusses Nestos. Dazu gibt es noch mehrere ganz ordentliche Strände. Fanari kommt durchaus als Urlaubsort in Frage, wenn man mal wieder nach Griechenland will. Die Griechen klagen sehr darüber, dass dieses Jahr nur halb so viele Touristen wie sonst kommen, vor allem so wenig Deutsche. Voll war es übrigens auch in Fanarin nicht.
Hier ein paar Bilder von der Etappe nach Fanari und aus dem Ort selbst:
Dann gelangten wir nach Alexandroupoli. Wie bei allen bisherigen griechischen Etappen war es wieder unglaublich heiß. Die ersten 40 Kilometer hatten wir rasch abgespult; dann kamen mal wieder ziemlich heftige Berge, so dass wir am Ende nach 90 Kilometern mehr als 750 Höhenmeter überwunden hatten. Und das bei zeitweise 38 Grad und auch noch kräftigem Gegenwind.
Die wichtigste Sehenswürdigkeit in Alexandroupoli ist der Leuchtturm an der Uferpromenade.
In diesen Tagen hatte es die Stadt aber aus einem anderen Grund in die Nachrichten geschafft: Sechs türkische Putschisten waren mit ihrem Hubschrauber hierher geflüchtet. Sie wurden vom griechischen Militär festgenommen. Die Türken haben ihren Helicopter inzwischen wieder abgeholt. Sie wollen natürlich auch die Soldaten; doch denen wird erstmal in Griechenland der Prozess gemacht. Wegen illegalen Grenzübertritts.
Von Alexandrouoli sind es nur knapp 50 Kilometer bis zur türkischen Grenze. Wir waren sehr gespannt, wie der Grenzübertritt verlaufen würde. Doch er verlief absolut unspektakulär. Vor uns hatte der türkische Zoll einen Iraner herausgewunken und dessen Auto komplett gefilzt. An uns hatten sie kein Interesse.
Morgen fahren wir weiter Richtung Canakkale. Eigentlich hatten wir noch ein Zwischenziel vorgesehen, vielleicht schaffen wir die 120 Kilometer aber auch in einem Rutsch. In Canakkale wollen wir zwei Tage Pause machen. Wir wollen uns Troja anschauen und die Kriegsgedenkstätte auf der Insel Gallipoli. Dort hatte der spätere Staatsgründer Atatürk im Ersten Weltkrieg mit seinem Heer eine wichtige Schlacht gegen Engländer, Australier und Neuseeländer gewonnen. Mehr dazu in meinem nächsten Bericht.
5 Kommentare:
Hallo Abenteurer,
wollte kurz Meldung machen, dass auch ich natürlich zu euren Fans gehöre. Klasse Reisetagebuch ...ich freu mich jedes Mal wenn wieder ein neuer Beitrag verfasst wurde! Auf den Fotos meine ich übrigens zu erkennen, dass ihr beide (speziell Heiko) mittlerweile doch etwas an Substanz verloren habt. Steht euch aber sehr gut, und gibt euch zudem so einen verwegenen Touch ;-)
Wünsche euch nun zunächst einen herrlichen Abschluss eures gemeinsamen ersten Teils, und einen entspannten "Zwischenurlaub" in Istanbul. Soll der eigentlich genauso stattfinden wie ursprünglich geplant?
Weiterhin alles Gute und Grüße an Heiko, den ich im vergangenen Jahr (...oder war es schon 2014?) ja bei unserem gemeinsamen kleinen Ausritt in die Eifel kurz kennenlernen durfte.
Torsten
Uwe, mit Interesse verfolge ich deinen Blog, über Land und Leute. Allerdings haben mir die Nachrichten und eure Route auch schon ein wenig Sorge bereitet. Von daher, schön von dir zu hören. Jetzt besonders. Lieben Gruß Dennis
Lieber Dennis,
danke für deinen Kommentar. Bis jetzt reisen wir in der Türkei sehr entspannt. Heute schauen wir uns Gallipoli an und morgen Troja. Am nächsten Montag werden wir in Istanbul sein.
Schöne Grüße, Uwe
Nachtrag zu meinem gestrigen Kommentar: Liebe Grüße natürlich auch von Gudrun!!
So Long... Torsten
Hallo Uwe,
habe erst vorgestern von Deinem Abenteuer erfahren. Was soll ich sagen ....... faszinierend. Wäre gerne dabei!
Wünsche Dir viele unvergessliche Erlebnisse und eine sichere Weiterreise.
Neidische Grüße aus Köln
Hubert
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