Unser erstes Aha-Erlebnis mit den Griechen hatten wir gleich an unserem ersten Tag in Griechenland. Wir hatten südlich von Bitola (Mazedonien) die Grenze passiert. Nach weiteren 25 Kilometern kamen wir in Itea an. Hier wollten wir eigentlich übernachten. Doch Itea ist ein kleines Dorf, umgeben von weiten Feldern, mit je einem Café für Jung und Alt, einem Restaurant, einem kleinen Supermarkt und zwei Kirchen. Sonst nichts. Kein Geldautomat. Kein Hotel, keine Pension.
Übernachtung beim Karateclub Itea
Wir hätten auch noch 13 KM nach Florina weiterfahren können. Doch ich wollte mal testen, was so passiert, wenn man als Reiseradler einen Griechen anspricht und um Hilfe bittet. Wir fragten also den Wirt des Kafenions (für die Älteren), ob wir hier irgendwo übernachten und mit Karte bezahlen könnten. Als er verstand, deutete er auf ein Haus auf der anderen Straßenseite. Beim Vorbeifahren hatte ich gesehen, dass dort der örtliche Karateclub sein Domizil hat. Dort könnten wir umsonst übernachten, sagte er in gebrochenem Englisch, und verschwand in seinem Café. Wir setzten uns, bestellten Bier und warteten ab, was passiert.
Wenige Minuten später kam ein perfekt Englisch sprechender Grieche, den der Wirt als Dolmetscher gerufen hatte. Seinen Namen weiß ich leider nicht mehr. Aber er erzählte uns seine halbe Lebensgeschichte, u.a. dass er seit vielen Jahren in Chikago lebe und nun den Urlaub in seiner Heimat Itea verbringe. Wir könnten gegenüber im Gemeindehaus übernachten. Um 20 Uhr gebe es außerdem Gyros und Salat zu essen. Unseren Verzehr könnten wir per online Überweisung am nächsten Morgen bezahlen. Perfekt! Wir mussten also nicht in einen Ort weiterfahren, der gar nicht auf unserer Strecke lag.
Zugegeben, die Unterkunft im Gemeindehaus war grenzwertig. Es war ziemlich dreckig, unaufgeräumt und es roch unangenehm. Heiko war nicht erfreut, denn es gab keine Dusche; wir mussten uns an einem kleinen Waschbecken waschen. Aber ich war begeistert über die Hilfsbereitschaft und die Gastfreundschaft der Griechen. Diese Gastfreundschaft zu erleben, das war es, worauf ich mich auf dem Weg nach Griechenland gefreut hatte.
Netter Abend im Kafenion - Autofahrt zum Geldautomat
Im Übrigen verbrachten wir in dem Café noch einen sehr netten Abend. Wir lernten einige Deutsch sprechende Griechen kennen. Etliche von ihnen hatten Jahrzehnte in Deutschland gearbeitet und verbringen nun ihren Ruhestand mit deutscher Rente in ihrer Heimat; andere arbeiteten noch in Deutschland und waren zum Urlaub in die Heimat gekommen. Von Ressentiments gegenüber uns Deutschen war nichts zu spüren. Michael, ein in Deutschland geborener Grieche, fuhr uns später am Abend sogar in die nächstgrößere Stadt, damit wir Geld abheben konnten.
Am nächsten Tag radelten wir ca. 75 KM nach Edessa. Das ist eine schöne, lebendige Stadt im Norden der Provinz Makedonien. Mitten in der Stadt gibt es einen ziemlich hohen Wasserfall. Von einem Aussichtspunkt konnten wir schon bis Thessaloniki sehen. Wir hatten uns in einem Hotel eingemietet. Das EM-Finale Frankreich - Portugal verfolgte ich - Souvlaki und Tsatsiki essend - in einer einfachen Taverne.
Hier ein paar Impresseionen aus Edessa:
E-Werk kaputt - was tun?
Das nächste Aha-Erlebnis wartete in Thessaloniki auf uns. Das E-Werk an meinem Fahrrad, mit dem ich beim Radeln alle möglichen Geräte aufladen kann, hatte schon seit einigen Tagen einen Wackelkontakt. Kurz vor Thessaloniki war es endgültig ausgefallen; es gab kein Strom mehr her. Was tun? Ich hielt kurz entschlossen an einer Werkstatt an, die Autogasanlagen in Autos einbaute; die Mechaniker sind meistens auch gute Autoelektriker. Ich hatte riesiges Glück, denn die Werkstatt gehörte einem Griechen, der viele Jahre in Köln gelebt hatte!
Sein Name ist Panagiotis Gabrilidis. Zuerst versuchte ich, ihm auf Englisch mein Problem zu schildern. Er sah mich nur an und sagte: "Lass uns auf Deutsch sprechen. Das kann ich besser." Dann natürlich ungläubiges Staunen, als er erfuhr, dass wir die ganze Strecke bis Thessaloniki geradelt sind. Sofort beauftragte er einen seiner Mitarbeiter, mein E-Werk genauer anzuschauen. Als der Mechaniker das Gerät mit einem großen Schraubenzieher auf hebelte, wurde mir etwas mulmig. "Hoffentlich geht das gut", dachte ich bei mir. Schnell war der Fehler gefunden: Ein Kabel war im Gerät gebrochen.
Während der Mechaniker das Kabel lötete und alles wieder zusammen baute, unterhielten wir uns mit Panagiotis. Er war auf seine Landsleute nicht gut zu sprechen; schimpfte über die Bürokratie und darüber, dass viele Griechen angeblich nicht arbeiten wollten. Er hatte in Köln KFZ-Mechaniker gelernt und war vor fünf Jahren zurückgekehrt und groß in das Geschäft mit Autogasanlagen eingestiegen. Inzwischen betreibt er mehrere Werkstätten und hat rund 25.000 Anlagen verkauft. Er ist ein erfolgreicher und zufriedener Selfmademan.
Eine kostenlose Reparatur aus Dankbarkeit
Für die Reparatur wollte er kein Geld annehmen, obwohl sein Mitarbeiter fast 40 Minuten daran gearbeitet hatte. "Ich bin Deutschland und euch Deutschen so dankbar für alles, was ihr mir gegeben habt. Das gebe ich hiermit gerne zurück", sagte er. Auch sein Mechaniker wollte kein Trinkgeld von mir annehmen. Ich war sehr angetan und wusste gar nicht, wie ich mich für die Hilfe erkenntlich zeigen sollte. Ich gab Panagiotis schließlich den Link zu meinem Blog. Darüber freute er sich sehr und wollte sich noch am gleichen Abend anschauen, was wir auf unserer Tour erlebt hatten. Deshalb auf diesem Weg noch einmal: Vielen Dank, Panagiotis!
Hier noch ein paar Bilder aus Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt Griechenlands.
Nur noch sieben Etappen bis Istanbul!
Übermorgen fahren wir weiter nach Kavala und dann weiter auf die türkische Grenze zu. Es sind jetzt nur noch sieben Etappen bis Bandirma, der großen Hafenstadt am Südufer des Marmarameers. Von dort wollen wir am 26. Juli mit der Fähre nach Istanbul fahren. Vorher machen wir aber in Canakkale, an der Einfahrt zum Marmarameer, noch drei Tage Pause! Spätestens von dort werde ich mich wieder melden.
4 Kommentare:
Hallo Jungs, es scheint, als könntet ihr jetzt eine "ruhigere Kurbel" treten und ein wenig regenerieren, was ihr euch auch redlich erradelt habt. Ganz toll finde ich, dass euch so viel Gastfreundschaft widerfährt - ich freue mich schon auf die kommenden Berichte. Wie schlägt sich denn das Material? Ich wünsche euch noch viele schöne Erlebnisse - fahrt gut!!
Danke, lieber Uli! Das Material schlägt sich bestens. Bis hierher nur ein durchgeschlagener Reifen bei Heiko und eben das defekte E-Werk. Ansonsten nervt mich mein Zelt. Es ist zum einen sehr schlecht belüftet, heißt für hiesige Temperaturen zu warm, bei niedrigeren Temperaturen ist es innen klitschnass. Habe mir deshalb für die weitere Tour ein neues Zelt bestellt. Das wird mir meine Frau nach Istanbul mitbringen. Schaun wir mal!
Schöne Grüße, Uwe
Lieber Uwe,
auf diesem Weg einen lieben Gruß aus Köln - ich verfolge mit Interesse und auch ein klein wenig Neid Deine Posts! Deine bisherigen Eindrücke in Griechenland machen Lust auf mehr - wir fahren im Herbst u.a. nach Thessaloniki und dann weiter zum Pilion und auf die "Mamma Mia"-Insel Skopelos. Stella hat sich übrigens sehr über Dein Video gefreut!
Bleibt gesund, alles Liebe
Kristina
Hallo Uwe,
in diesen unruhigen Tagen in der Türkei denke ich ganz besonders an euch. Ich hoffe für euch, dass sich der Putschversuch des Militärs und seine Folgen nicht auf euch und eure Tour auswirkt.
Seid vorsichtig!
Und dein Bericht wieder mal spannend.
Bis bald
Stefan
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