Dienstag, 9. August 2016

Nichts geht mehr bei Mahmudiye

Seit Montag bin ich nun allein unterwegs in Richtung Iran. Die ersten beiden Etappen ab Istanbul hatten es schon mal in sich: wieder viele hundert Höhenmeter bei 35 Grad. Ich hatte mir vorgenommen, Hauptstraßen zu vermeiden, wo immer es geht. Jetzt habe ich gelernt, auf Nebenstraßen zu fahren, bedeutet ein ewiges Rauf und Runter mit noch mehr Steigungen. Bei Mahmudiye ging dann plötzlich nichts mehr.

Die Fahrt aus Istanbul raus verlief wunderbar. Im Morgengrauen fuhr ich mit der Fähre auf die asiatische Seite und dann auf einem wunderbar ausgebauten Radweg am Marmarameer entlang gemütlich bis nach Pendik (30 KM).


Dann mit der Fähre nach Yalova, um so dem Straßenverkehr zu entgehen. Ab da ging es dann los: Ich hatte die Hauptstraße verlassen und wollte durch die Dörfer bis zum Iznik-See (55 KM). Das habe ich allerdings nicht geschafft. Nach 30 KM in brütender Hitze war ich fix und fertig. Es ging wirklich nur rauf und runter. Der Garmin zeigte nach 30 KM bereits 1084 Höhenmeter an.

Ich wollte mich noch 3,5 KM zum nächsten Dorf, nach Mahmudiye, durchbeißen. Doch es ging wirklich nichts mehr. Ich hatte zudem kaum noch Wasser, so dass ich nicht einfach mein Zelt aufschlagen konnte. Ich fühlte mich in den Bergen wie gefangen und wußte nicht mehr weiter.

Doch dann kam wie durch eine göttliche Fügung die Rettung: Ich sah einige Meter über mir ein Auto einen Feldweg hochfahren und machte - mehr als verzweifelten Versuch - eine Trinkbewegung. Der Beifahrer sah mich und ließ den Fahrer anhalten. Er kam zu mir gerannt und hielt mir eine Flasche mit eiskaltem Wasser hin. Ich soff sie wie ein Pferd gleich halbleer.

Dann lud er mich zu einem Pique-nique auf eine kleine Anhöhe ein. Es war ein wunderbarer Platz unter einer riesigen Eiche mit einem phantastischen Ausblick über die Berglandschaft. Ich ließ mich auf der Decke nieder und die drei Männer breiteten die Köstlichkeiten vor mir aus: riesige leckere Tomaten, Zwiebeln, Oliven, Schafskäse, Pepperoni, Knoblauch und Brot. Ich brauchte eine Weile, bis ich überhaupt einen Bissen herunterkam.



Dann fiel mir erst auf, das die Anhöhe in Wirklichkeit ein topfebenes Platteau war. Und als einer der Türken, der Eigentümer des Grundstücks, mir zu verstehen gab, dass er hier draußen schlafen würde, war der Entschluss schnell gefasst: Hier bleibe ich über Nacht und fahre keinen Meter mehr weiter.

Der Türke, Celal sein Name, war fortan an mein Gastgeber und unternahm wirklich alles, um mir den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Er fuhr mehrmals mit seinem Moped los, um noch mehr frisches Wasser zu holen. So konnte ich mich noch ausgiebig waschen und mir noch etwas Warmes kochen. Und als ich ihn fragte, ob er auch ein Bier organisieren könne, telefonierte er mehrmals, wobei ich des öfteren "Bira" hörte. Um 22 Uhr kamen drei seiner Freunde mit Auto an und brachten zwei Tüten voll mit Bierflaschen. Ich war überwältigt.





Nach einem Bier kroch ich ins Zelt, weil ich echt müde war. Leider ging die Party unter der Eiche noch eine Weile weiter. Es wurde zeitweise heftig und laut diskutiert; dann lief auch noch ziemlich laute Musik. Aber egal, irgendwann am Morgen war ich endlich eingeschlafen. Heute Morgen habe ich dann entdeckt, dass mir offenbar ein Hund den Bulgor aus der Fahrradtasche geklaut und aufgefressen hatte. Im Halbschlaf habe ich auch etwas gehört, war aber zu faul aufzustehen. Der Hund!



Heute Morgen bin ich dann in das Dorf Mahmudiye weitergefahren. Es ging noch 300 Höhenmeter weiter hinauf! Beim Hochfahren wurde mir noch einmal bewußt, welch ein großes Glück ich hatte, dass Celal und seine Freunde mich aufgegabelt haben und mich so freundlich bewirtet haben. So konnte ich über Nacht neue Kraft tanken, um den Berg hoch zu kommen. Ich weiß nicht, wie es mir sonst ergangen wäre.


Heute bin ich 65 KM bis Yenisehir (840 HM) geradelt. Diesmal bin ich auf der Hauptße geblieben; es waren auch relativ wenig Autos unterwegs. Der Vorteil dieser Hauptstraße: Es ging nur einmal richtig rauf und dann in einer langen Abfahrt wieder runter bis ins Ziel Das war auch anstrengend, aber längst nicht so heftig wie am Vortag.

Seit Montag bin ich übrigens mit neuem Nabendynamo unterwegs. Für die Experten unter euch: Es ist jetzt ein Shinamo-Dynamo (XT). Der war nicht ganz so teuer und sollte mindestens 10.000 KM halten. Ein neuer SON-Dynamo hätte mich mit Einbau sicher an die 350-400 € gekostet. Das war mir dann doch zu viel. Mir ist immer noch rätselhaft, wieso das Teil durch einen verhakten Taschenriemen so schnell kaputt gehen konnte. Der Fahrradladen Bisiklet Gezgeni hat übrigens einen guten Job gemacht und alles zu meiner Zufriedenheit wieder gerichtet.


Und noch etwas ist neu: Die aufmerksamen Beobachter haben wahrscheinlich bemerkt, dass ich mit einem neuem Zelt unterwegs bin. Warum? Das könnt ihr auf der Equipment-Seite nachlesen. Die Seite habe ich während des Urlaubs mit meiner Frau in Canakkale ergänzt.

Melde mich als nächstes aus Eskisehir; dort will ich einen Ruhetag einlegen und mir die Stadt ansehen. Sie soll sehr schön sein. Bis dahin.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Uwe,

ich verfolge die Tour nun seit dem Start - natürlich aus dem bequemen Sessel in Alfter heraus. Nachdem ein neuer Post langsam überfällig wurde, habe ich mir schon Sorgen gemacht. Offenbar nicht unbedingt ohne Grund. Ist ja aber offensichtlich alles gut gegangen. Alles Gute weiterhin und bleiben Sie gesund. Ich freue mich über jeden Bericht von Ihnen.

Heino

Uwe hat gesagt…

Hallo Heino,

Sorry, dass ich dich so lange warten ließ. Ich habe zwischendurch mit meiner Frau eine Woche "Urlaub vom Radreisen" gemacht - klingt komisch, ist aber so. Freue mich über deine virtuelle Begleitung. Danke.

Schöne Grüße, Uwe

Anonym hat gesagt…

Lieber Uwe,

wir freuen uns, dass es dir offenbar gut geht und du so viele schöne Sachen erlebst! Wir lesen deinen Blog im Radurlaub in Schweden... Und kommen uns dann gleich doppelt sportlich vor ;-)
Wir freuen uns schon auf dein nächstes Kapitel!
Kramelikram och lycka till!
Martin und Susanne

Uwe hat gesagt…

Hallo ihr Lieben,

schön von euch zu hören. Seid ihr nun in der Gegend um Umeå unterwegs? Ich wünsche euch ebenfalls voel Spaß auf eurer Radreise. Hoffentlich habt ihr dieses Jahr mehr Wetterglück und könnt auch zelten.

Liebe Grüße, Uwe

Anonym hat gesagt…

...ja, diesmal hab's geklappt. Beweisfotos und Routenbericht folgen.
Viele Grüße und gute Reise!

Uwe hat gesagt…

Prima! Habt ihr also gutes Wetter! Schön!