Zanjan hat mir sehr gut gefallen. Adel, der Bruder von Sahar, hat mir einige Hotspots der Stadt gezeigt. Zum einen das historische Waschhaus, das sehr schön restauriert wurde, und die Ausstellung der 1500 bis 2300 Jahre alten Salzmumien. Das besondere an diesen Mumien: Da sie in Salzbergwerken eingeschlossen waren, sind sie sehr gut erhalten. Eine Mumie hat sogar noch Haare auf dem Kopf. Vier "Salti men" sind in Zanjan ausgestellt, eine weitere ist in Teheran zu besichtigen. Leider durfte ich keine Fotos machen. Am Abend haben Farid und Sahar mir den Bazar gezeigt. Der ist so groß und so verwinkelt, dass man sich darin gut verlaufen kann.
Hier Bilder aus dem Waschhaus und dem Basar:
Im Folgenden beschreibe ich die Etappen bis Kashan - für diejenigen, die es genau wissen wollen.
Zanjan - Nahavand
Nach dem Ruhetag in Zanjan ging es am Dienstag früh los Richtung Takestan. Highlight dieser Etappe: Der Ort Sultaniyeh mit einem sehr schönen Mausoleum in Ziegelbauweise, das auch UNESCO-Weltkulturerbe ist. Sultaniyeh war unter den Mongolen im 14. Jahrhundert die Hauptstadt Persiens. Der herrschende Sultan wollte sogar den Leichnam von Mohammeds Sohn, Imam Ali, in das Mausoleum umbetten lassen. Doch bekam er die Reliquien nicht übergeben, weil das Exhumieren von Leichen im Islam schlicht nicht erlaubt ist. Das Mausoleum ist sehr gut erhalten; innen wird es gerade restauriert und ist komplett eingerüstet. Deshalb nur Fotos von außen.
25 Kilometer vor Takestan biege ich kurz entschlossen nach Süden ab, um am nächsten Tag ein paar Kilometer zu sparen. Stopp nach 135 Kilometern, überwiegend flach, aber mit starkem Gegenwind. Ich übernachte nahe dem kleinen Dorf Nahavand inmitten von Weinfeldern unter einem Walnussbaum. Nachdem ich mein Zelt aufgebaut habe, kommen mehrere Bauern vorbei. Sie haben nichts dagegen, dass ich zwischen ihren Feldern zelte. Sie schenken mir Weintrauben und Nüsse. Ich befürchte schon, Nachts Besuch zu bekommen. Doch bleibe ich ungestört. Schlaf finde ich dennoch kaum. Bis 1 Uhr schallt laute Musik zu mir herüber, wahrscheinlich von einer Hochzeitsfeier - wirklich sehr laut!
Nahavand - Saveh
Eine sehr lange Etappe steht mir bevor: 160 Kilometer. Ich wurde vor dem Wind gewarnt. Die ersten 60 Kilometer sind flach mit Seitenwind von rechts. Fahre über Stunden auf einer stark befahrenen Hauptstraße an Weinfeldern vorbei. Frage mich, was mit den Tonnen an Weintrauben geschieht, wo es doch offiziell keinen Wein zu kaufen gibt. Im Reiseführer las ich, dass im Iran sehr guter Wein produziert wird, allerdings überwiegend für den Export. Von einem Iraner weiß ich, dass man Wein schwarz bekommen kann. Wer erwischt wird, wird hart bestraft. Auch die Regierung kauft angeblich einigen Wein auf - für die Botschaften im Ausland und für ausländische Staatsgäste! So die offizielle Erklärung.
Nach 60 Kilometern erreiche ich Buienzahra. Als ich mich in einem Supermarkt mit Wasser und Keksen eindecke, hält mir ein Mann im Trainingsanzug sein Handy entgegen. Am Telefon bittet mich eine Iranerin auf Englisch, mit ihrem Bruder zu ihr nach Hause zu kommen! Ich bin überrascht - und folge dem jungen Mann. Nach ein paar hundert Metern fahre ich in eine Einfahrt hinein und stelle mein Rad in einem Hof ab.
Im Haus erwartet mich allerdings keine Iranerin, sondern ein älterer Herr, der auf dem Boden sitzt. Es ist Mohammed Manafi, 65 Jahre alt, ehemaliger Physik-Lehrer in Buienzahra, durch eine schlimme Infektion seit dem vierten Lebensjahr gelähmt. Er fragt, wie mir der Iran und die Iraner gefallen? Wo ich herkomme? Wo ich hin will? Warum ich mit Fahrrad reise? Ob Deutsche Ausländer auch zu sich nach Hause einladen so wie er? Eine Stunde lang reden wir über alles Mögliche. Zwischendurch serviert uns seine Frau eine sehr leckere Gemüsesuppe mit Joghurt - einfach göttlich.
Dann breche ich wieder auf - schweren Herzens. Nach einem Kilometer geht es rechts herum - jetzt kommt der Wind mit voller Wucht von vorn. Es geht den Berg hoch, nicht sehr steil, aber gegen den Wind komme ich kaum über 6-7 Stundenkilometer. Inzwischen ist es 15.30 Uhr und das Thermometer zeigt 37 Grad. Links und rechts ist Steppe. Nach einer Weile wird mir klar, dass ich die restlichen 80 Kilometer nicht mehr schaffe.
Plötzlich steht vor mir ein LKW auf dem Seitenstreifen. Ich fahre erst vorbei. Dann siegt mein innerer Schweinehund! Ich drehe um und frage den Fahrer (in Zeichensprache), ob er nach Saveh fahre und mich mitnehme? Er ist bereit. Das Fahrrad stelle ich auf die Ladefläche und vertäue es gut an einen der geladenen Traktoren. Ich frage den Fahrer mehrmals nach seinem Namen. Er versteht mich nicht - und ich ihn nicht. Nach einer Weile fängt er an zu singen - als wollte er mich aufheitern. Ich muss wirklich ziemlich fertig aussehen. Als ich mir die Landschaft so anschaue, bin ich froh, dass ich nicht weitergeradelt bin. Es ging noch 15 Kilometer bergauf. Zelten wäre unterwegs kaum möglich gewesen. Es ist einfach nur sandige Steppe.
In Saveh empfängt mich Mahdi, ein Warmshowers-Aktivist. Er ist begeisterter Reiseradler und erzählt mir von seinen Reisen in den Norden Irans. Da sei es am schönsten. Nach dem Essen fragt er mich, was er tun könne, um so glücklich zu sein wie ich. Ich bin erstaunt. Er meine, um verheiratet zu sein, Kinder und Enkelkinder zu haben und um mit einer Frau Sex zu haben. Was ich ihm raten würde, wie er das anstellen solle. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Er meint, es sei sehr schwer, eine Frau zu finden, zumal er gerade erst mit dem Studium fertig sei und noch keine Arbeit habe, also auch kein Geld, um zu heiraten. Es gebe keine Diskotheken oder Clubs, wo man sich kennenlernen könne. Er sei 25 Jahre und habe noch keinen Sex mit einer Frau gehabt. Er denke täglich darüber nach, was er machen müsse, um das zu erreichen. Er tut mir ein bisschen leid.
Saveh - Delijan
Diesmal stehen nur 125 Kilometer auf dem Zettel. Die ersten 25 Kilometer gehen rasch vorbei. Der Wind kommt wieder von rechts. Dann geht es 35 Kilometer bergauf. Die Straße ist sehr stark befahren. Obwohl parallel die Autobahn verläuft, donnern ununterbrochen LKW an mir vorbei. Um 9.30 Uhr ist es schon 33 Grad heiß. Mahdi meinte zur Verabschiedung noch, ich könne froh sein, dass es nicht zu heiß sei. Vor zwei Monaten sei es hier 50 Grad heiß gewesen. Die LKW nerven. Mehrmals muss ich von der Fahrbahn weichen, weil von hinten und vorne gleichzeitig Laster kommen. Da bleibt für mich kaum Platz. Zwischenzeitlich kommt der Wind von vorne. Nach 67 Kilometern habe ich die Nase voll. In Salafehgan entschließe ich mich, abzubrechen. Da überholt mich ein Bus und fährt vor mir rechts heran.
Ich frage den Busfahrer, ob er mich nach Delijan mitnehmen könne. Er nickt. Als ich in den Bus einsteige, staune ich nicht schlecht: Ich bin der einzige Fahrgast - und wahrscheinlich auch der erste überhaupt. Offensichtlich wird der Bus gerade an seinen Besitzer ausgeliefert. Die Sitze und Armlehnen sind noch in Folie eingepackt. Auch auf dem Boden liegt noch Folie. Es ist ein nagelneuer Luxus-Reisebus mit sehr bequemen Sitzen und sehr viel Beinfreiheit. Ich schlafe bald ein und wache erst kurz vor dem Zielort wieder auf. Als ich bezahlen will, winkt der junge smarte Busfahrer ab. Er hat mich für lau 60 Kilometer mitgenommen.
In Delijan beziehe ich ein Hotel, das ziemlich teuer ist. Egal, ich habe die letzten vier Nächte bei Warmshowers-Gastgebern bzw. im Zelt gepennt. Jetzt ist mal wieder eine Nacht im Hotel drin. Das WLAN ist allerdings sehr schwach. An ein Update des Blogs ist nicht zu denken.
Delijan - Kashan
Heute standen 85 Kilometer auf dem Routenzettel - mit einem Pass auf 2300 Meter Höhe. Ich kam schon um 7.30 Uhr weg und ereichte den Pass nach 25 KM, bevor es zu heiß wurde. Ab dann ging es 50 Kilometer nur noch bergab - allerdings wieder mit kräftig Gegenwind, obwohl ich heute ja in die entgegengesetzte Richtung fuhr als am Vortag. Die restlichen zehn Kilometer ging es auf einer Schnellstraße in die Innenstadt. Als ich gegen 13.30 Uhr in Kashan ankomme, ist es wieder 37 Grad heiß.
Am Montag geht es dann weiter Richtung Isfahan - mit einem Zwischenstopp in Natanz. Vorher melde ich mich aber noch mal.
4 Kommentare:
Hi Uwe, ich habe mir ein wenig Gedanken gemacht, nachdem sich deine französischen Begleiter verabschiedet hatten und du wieder allein unterwegs bist. Aber inzwischen bin ich beruhigt....statt einem Begleiter hast du offensichtlich nun die hilfsbereiten Iraner an deiner Seite, wenn unvorhersehbare Ereignisse einen Planwechsel erfordern. Selbst als ambitionierter Eifelradler ist das was du dir verabreichst kaum vorstellbar.....gegenwindige Bergetappen ziehen bei mir immer mindestens zwei Ruhetage nach sich (...aber ich bin ja auch schon ein paar Monate älter als du 😉). Wenn ich deine lebendigen Schilderungen verfolge, bin ich aber sicher, dass die Erlebnisse und Erfahrungen die du gerade machst alle deine Mühen wert sind. Ich wünsche dir weiterhin "gute Beine" und viele schöne Erlebnisse - und freue mich schon auf deinen nächsten Bericht aus dem märchenhaften Isfahan. Solltest du übrigens unterwegs eine alte Öllampe mit einem Stopfen am Wegesrand liegen sehen, fahre nicht achtlos vorbei, vielleicht wohnt ein guter Geist darin....👻
Hi Uwe,
ließt sich alles super spannend, ich bin von der ganzen Gastfreundschaft übberascht.
Hoffe, das es weiter so gut bei dir läuft.
Viele Grüße vom RSV
Markus
Danke, lieber Uli, für deinen netten Kommentar! Schöne Grüße, Uwe
Schöne Grüße zurück, lieber Markus! Bis bald - vielleicht mal wieder auf dem Rad im Kreis Euskirchen! Wahrscheinlich im Januar 2017! Grüße, Uwe
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