Unsere erste Nacht im Iran haben wir in Maku verbracht, ca. 20 Kilometer hinter der Grenze. Maku ist das Zentrum einer großen Freihandelszone, der zweitgrößten der Welt, die die iranische Regierung eingerichtet hat, um ausländische Investitionen ins Land zu locken. Ob das funktioniert, kann ich nicht beurteilen. Es war jedenfalls eine sehr lebhafte Stadt mit vielen Banken und Geschäften. Es schien dort alles zu geben, wie bei uns auch.
Das Hotel hat 40 Türkische Lira gekostet, umgerechnet also 11-12€! Es gab im ganzen Haus nur eine Dusche! Entsprechend benutzt sah sie auch aus. Frühstück gab es nicht. Auch ein Frühstückslokal haben wir nicht gefunden. Also kauften wir bei einem Bäcker zwei Fladenbote, die wir vor dem Laden im Stehen verspeisten. Wir hätten das trockene Brot kaum herunterbekommen, wenn uns der Bäcker nicht einen Tee dazu spendiert hätte.
Am Freitag sind wir ca. 85 Kilometer nach Qara Zia'Eddin geradelt. Der Verkehr ist hier wesentlich stärker als in der Türkei - und lauter und stinkiger! Der Seitenstreifen, auf dem wir fahren können, ist vielleicht höchstens einen halben Meter breit und oft auch nicht so schön eben wie die Straße. Obwohl der Freitag wie der Sonntag bei uns ist, waren auf der Landstraße viele LKW unterwegs - darunter etliche alte Karren, die sehr laut sind und viele Abgase ausstoßen. Außerdem wurden wir von jedem zweiten entgegenkommenden und vorbeifahrenden Fahrzeug angehupt - aus Begeisterung und zur Ermunterung für uns! Manchmal habe ich aber einen ganz schönen Schreck bekommen. Alles in allem war die erste Etappe ziemlich laut und stressig! Erfreulich war jedoch, dass uns im Zielort zwei Polizisten in ihrem Streifenwagen zum Hotel geleiteten.
Heute ging es 110 Kilometer nach Marand, einer größeren Kreisstadt mit knapp 150.000 Einwohnern. Die Etappe war recht kurzweilig. Unter anderem weil wir unterwegs Bekanntschaft mit einer Bauernfamilie schlossen, die uns zum Tee eigeladen hatte. Die Familie bestand aus drei Generationen, also Großeltern, Eltern und Kindern. Sie haben gerade hunderte Kilo Sonnenblumenkerne geerntet und diese auf riesigen Folien zum Trocknen ausgelegt. Sie waren die ganze Zeit auf der Hut, damit ihre eigenen Ziegen nicht die Kerne verspeisten. Alle fünf Minuten musste deshalb einer aus der Familie aufspringen und die Ziegen von den Kernen wegscheuchen.
Während des Teetrinkens bemerkten wir, dass die beiden Männer verletzt waren. Der Jüngere hatte sich beim Werfen eines Steines wohl den Arm ausgerenkt. Er massierte sich immer wieder den Oberarm. Der Ältere hatte den Daumen verbunden; offenbar war der Verband selbst angelegt. Bernard, Jean-Louis Freund, ist in seinem letzten Job Krankenpfleger gewesen. Also holte er seine riesige Medikamententüte aus einer Fahrradtasche hervor und verarztete die beiden fachmännisch. Der ältere Mann hatte unter seinem Verband eine ziemlich tiefe, eitrige Schnittwunde. Bernard muste sie erstmal mit reichlich Jodtinktur reinigen, bevor er sie komplett neu verband. Außerdem ließen wir noch Verbandsmittel und Salben da, damit sie die Wunde auch die nächsten Tage pflegen konnten.
Die Familie war natürlich sehr dankbar und beschenkte uns mit drei Beuteln mit Sonnenblumenkernen.
Als wir in Marand ankamen, kam uns am Ortseingang ein junger Karl auf dem Fahrrad entgegen. Er sprach uns direkt an und bot sich an, uns zu einem Hotel zu bringen. Als ich ihn später fragte, wieso er genau in diesem Moment mit Fahrrad am Ortseingang gewesen sei, kaum eine erstaunliche Erklärung: Jemand habe uns vor der Stadt gesehen und ihn direkt angerufen, da alle in der Stadt wüßten, dass er sich um Reiseradler kümmere. Sein Name ist Yashar - er ist 17 Jahre alt und hat sich wirklich sehr rührend um uns gekümmert.
Nachdem er uns ein wenig seine Stadt gezeigt hatte, fragte er, ob wir mitkämen in seinen Englischkursus. Er meinte, seine Mitschüler und seinen Lehrer würden unsere Reiseabenteuer sicher brennend interessieren. Wir sagten sofort zu und gingen mit. Es war eine sehr nette und interessante Begegnung mit jungen Irannerinnen und Iranern, die dazu noch einigermaßen gut Englisch sprachen. Und wir wurden mit Fragen überschüttet: Wo wir noch hinwollen? Ob wir verheiratet sind? Ob wir Kinder haben? Was wir über den Iran denken? Ob wir den Iran für einen Terroristenstaat hielten? Ob wir keine Angst hätten? Wie sich Jungens und Mädchen in Deutschland kennenlernen? Ob deren Liebesleben irgendwie reglementiert sei? Wie in Deutschland Scheidungen verliefen? Undsoweiter...
Es war wirklich eine sehr interessante Begegnung. Und zudem hat sie mir einige neue Freunde bei Instagram eingebracht.
Am Sonntag reisen wir weiter nach Tabriz, mit 2,15 Mio. Einwohner eine der größeren Städte im Iran. Tabriz ist die Hauptstadt der Region Ost-Aserbaidschan in Iran und zugleich das kulturelle Zentraum der iranischen Aserbaidschaner. Wir sind dort mit dem Bruder des Arztes verabredet, der Jean-Louis Nichte in Hannover operiert hat. Sie hatte ihrem Arzt von der Reise ihres Onkels erzählt, worauf hin er ihr gleich den Kontakt zu seinem Bruder gab, bei dem wir uns unbedingt melden sollten. Das machen wir morgen auch. Ich bin gespannt.
2 Kommentare:
Hi Uwe, beeindruckend, wie du die Begegnung mit dem Englischkurs geschildert hast, und ich habe ich mich gefragt, wie wir hier bei uns Reisenden aus anderen Kulturen begegnen.....es macht einen schon nachdenklich....
Hi Uwe. Beeindruckende Berichte und beeindruckende Menschen die Du triffst. Menschen sind halt doch überall gleich, aber sie scheinen gastfreundlicher zu sein desto weniger sie besitzen. Sollte uns zu denken geben. Deine Berichte und Bilder machen Spass zu verfolgen, danke dafür. Gruss Micha.
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