Dienstag, 7. Juni 2016

Auf einem Bahndamm nach Augsburg

Auf dem Weg nach Augsburg haben wir heute Klaus Eser kennen gelernt. Wir legten gerade einen Zwischenstopp ein, um ein paar Blumen zu fotografieren. Da kam der alte Herr um die 80 mit seinem alten Herkules-Rad angeradelt. Als er unsere voll bepackten Räder sah, hielt er mit leuchtenden Augen an.


Kurt Eser vor dem ehemaligen
Bahnhof Adelsried
Wo wir denn herkämen, war seine erste Frage. Aus Bonn, antworteten wir. "NEIN!", sagte er begeistert. Wo es denn hinginge, wollte er dann wissen. "Heute nach Augsburg". Und wo sollte unsere Radreise hinführen? "Nach  Istanbul." Wieder: "NEIN, Wahnsinn. Ihr seid doch verrückt", sagte er in schönstem bayerisch-schwäbischen Dialekt. Dann gab er uns noch einen Tipp, wo wir unsere Brotzeit nehmen sollten, nämlich im übernächsten Ort namens Adelsried beim Fleischer Rittel. Sprach's und fuhr davon.

Nach wenigen Kilometern holten wir ihn wieder ein. Unterdessen hatte ich bemerkt, dass wir schon seit einiger Zeit auf einem alten Bahndamm fuhren. Ich liebe Radwege auf ehemaligen Bahntrassen: Man gleitet fernab vom Autoverkehr wie auf einem Deich durch die Landschaft und meint fast, zu fliegen - keine Schlaglöcher, keine Gullydeckel, keine Wurzeln - einfach nur neuer, glatter Asphalt. Herrlich!

Lokführer mit Fahrrad auf Eisenbahntrasse unterwegs


In Adelsried stand noch der alte Bahnhof. Klaus Eser hatte ich schon vor einigen hundert Metern überholt. Dann kam er wieder um die Ecke. Diesmal sprach ich ihn an und stellte fest, wie schön es sei, auf einer ehemaligen Bahntrasse entlang zu radeln. Und dann kam die Überraschung! "Ja! Und wissen Sie was? Ich war hier Lokführer und bin hier regelmäßig mit dem Zug gefahren. 1986 ist die Strecke eingestellt worden." Einen Moment lang schien er sehr traurig. Heute fahre er regelmäßig mit dem Fahrrad auf der Trasse nach Augsburg - zu Trainingszwecken und zum Einkaufen.

Ich war begeistert. Gemeinsam führen wir weiter. Zum Fleischer Rittel. Eigentlich hatte ich ja keinen Hunger. Aber als ich den Laden betrat, war mir sofort klar: Hier gehe ich nicht wieder raus, ohne etwas zu essen. "Eser, Klaus", wie er sich vorgestellt hatte, nahm eine Scheibe Schweinebraten, eine Semmel und eine Limo. Ich bestellte Leberkäse mit Kartoffelsalat und alkoholfreies Weizen. Es war eine Riesenportion, eigentlich viel zu viel, aber sehr, sehr lecker. Nach dem Essen verabschiedete er sich per Handschlag von mir und wünschte uns eine gute Reise. Und verschwand auf seinem alten Fahrrad, das viel zu klein für ihn war. Wir sahen ihn nicht wieder.

Am Abend war ich dennoch wie beseelt. Eine scheinbar ereignislose Etappe von gerade mal 60 Kilometern von Höchstädt nach Augsburg entpuppte sich als kleine Sensation. Wir lernten einen der letzten Lokführer kennen, der die Bahnstrecke befahren hatte, auf der wir heute gemütlich in die Fuggerstadt radelten. Das liebe ich am Radfahren: Man kommt sehr schnell mit anderen Menchen in Kontakt und erlebt noch manches kleines Wunder.

Hier noch ein paar Bilder von der Etappe:

Strohblumen am Wegrand








6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hey Uwe, lese gerne deinen Reisebericht und erfreue mich daran und an den Bildern. Danke fürs teilhaben lassen. Seit wir einen Kastenwagen haben und oftmals abends losfahren und noch in Deutschland unsere erste und letzte Nacht verbringen, haben wir auch viele nette deutsche Orte kennengelernt und sind immer wieder begeistert wie schön es bei uns ist. Ich wünsche dir weiterhin eine tolle Reise und vielleicht magst du uns ja, wenn du wieder heile zurück bist, mal live davon berichten. Lg Gerhild und Uli aus Bonn - Beuel- Limperich

Mario Schmidt hat gesagt…

Wunderbar - die vielen Details hast du, Uwe, fein beobachtet und die machen die virtuelle Radreise für uns Interessierte sehr lebendig. Nach den ersten "Wasser"-Tagen endlich Sonnenschein - der Spaß, den ihr auf eurer Tour habt, macht beim Lesen Spaß.
Bin schon sehr gespannt auf die weiteren Eindrücke, Begebenheiten, Details und Rad-Romantik. ;)

Uli Gajek hat gesagt…

Wunderbare Erlebnisse sehr lebendig erzählt.....da ist man im Geiste bei euch. Das schwere Wetter scheint ihr hinter euch gelassen zu haben -drücke euch die Daumen, dass es so bleibt. Sportliche Grüße aus der Eifel, Uli.

Peet hat gesagt…

Mehr davon, sehr unterhaltsam ! Freu mich schon auf weitere Berichte.

Peet hat gesagt…

Mehr davon, sehr unterhaltsam ! Freu mich schon auf weitere Berichte.

Unknown hat gesagt…

Hallo Uwe,
hallo Heiko,
schön, dass wir uns gestern kennen gelernt haben. Es war ein sehr schöner Abend bei Fußball und Bier in Njivice. Beim Erzählen und fachsimpeln bin ich ganz wehmütig geworden, liegt meine eigene große Radtour vom Niederrhein nach Santiago de Compostela, zusammen mit Mattis, meinem Sohn doch erst einen Sommer zurück.
Der Abend zusammen mit Euch, meiner Frau Andrea und den beiden Stuttgartern, Sabine und Lothar war herzerfrischend.
Für Eure weitere Tour wünsche nicht nur ich Euch, alles Gute, viele gutes Wetter und analog zum Seefahrergruß, immer eine Handbreit Platz zum überholenden Auto.
So long, passt auf Euch auf und genießt Euren Traum.
Wir begleiten Euch ab jetzt im Blog.
Stefan und Andrea